Mehr Datenfutter für die KI

Von der Idee der Datengenossenschaft

Die künstliche Intelligenz benötigt Daten, um zu lernen. Und davon jede Menge. Denn je mehr „Trainingsdaten“ vorhanden sind, desto besser sind im Ergebnis die KI-basierten Vorschläge. Diese Daten zu bekommen, ist jedoch aktuell eine große Herausforderung. Eine mögliche Lösung sind Datengenossenschaften.

Das Ziel intelligenter Maschinen ist es, möglichst autark realisierbare Vorschläge zu erarbeiten, aus denen der Mensch als Entscheider nur noch auswählen muss. Möglich ist dies aktuell auf der Grundlage von KI zum Beispiel im Bereich der Fertigungs­planung. Hier erarbeiten intelligente Tools (MES) alternative Vorschläge, wenn Umplanungen, beispielsweise aufgrund von Material­engpässen, erforderlich sind. Welcher Vorschlag umgesetzt wird, entscheidet der Planer. Es handelt sich um eine sich ergänzende Form der Zusammen­arbeit zwischen Mensch und Maschine, die umso besser wird, je realisierbarer die vorgeschlagenen Alternativen der KI sind. Bei dieser assistenzbasierten Fertigungs­planung und -steuerung auf KI-Basis lernt die KI aufgrund der Eingriffe durch den Planer, welche Änderungen dieser in Zukunft vornehmen wird. Die KI unterbreitet ihm entsprechende Vorschläge für die Planung beziehungsweise Steuerung, die der Planer akzeptieren oder verändern kann. Die Entscheidung des Planers, den Vorschlag zu akzeptieren, oder zu ändern, geht wieder in die Datenbasis für das Training der KI ein. Zudem kann die KI den Planer bei seiner Eingabe auf unplausible Konstellationen aufmerksam machen. KI soll eine situationsabhängige Planung und Steuerung erleichtern. Die Ideal­vorstellung der Zukunft ist, dass die KI-basierte Entscheidung präziser und verlässlicher ist als eine Entscheidung, die auf der Auswertung historischer Daten basiert.

Gelungene Mensch-Maschine-Kombination
Die Entscheidungs­vollmacht liegt weiterhin beim Planer. Mit Hilfe sogenannter Exception Rules kann er die KI übersteuern und überlässt die Entscheidung nicht dem System. In einem solchen hybriden Entscheidungs­system ergänzt die KI die Tätigkeiten und die Verantwortung des Planers. Sie reduziert den Aufwand für manuelle Eingriffe und das damit verbundene Risiko von Planungs­fehlern. Nicht der Planer, sondern immer wiederkehrende Planungs­korrekturen gehören in einer Produktion mit intelligenten Assistenz­systemen der Vergangenheit an. Da durch maschinelles Lernen das implizite Wissen sukzessive Teil des Systems wird, geht der Zugriff auf dieses Wissen nicht verloren, wenn der entsprechende Mitarbeiter ausfällt oder aus dem Unternehmen ausscheidet.

Keine Zukunft ohne KI
Die Frage ist: Sollen zukünftig Maschinen gebaut werden, die sich so verhalten, als wären sie intelligent (schwache KI) oder solche, die tatsächlich wie Menschen denken (starke KI)? Ob KI jemals so denken wird wie ein Mensch, ist unter Wissen­schaft­lern umstritten. Grundsätzlich gilt jedoch, um leistungs­fähige Systeme zu entwickeln, bedarf es eines umfassenden Trainings der KI. Je mehr Daten vorhanden sind, desto besser sind im Ergebnis die KI-basierten Vorschläge. Solch große Datenmengen stehen in einzelnen Unternehmen in der Regel nicht zur Verfügung. Hier bedarf es akku­mulierter Daten aus möglichst vielen Unternehmen, die aggregiert und anonym zu Trainings­zwecken zur Verfügung stehen. Nur so lassen sich intelligente Maschinen entwickeln.

Datengenossenschaft als Win-win-Situation
Die Herausgabe unternehmenseigener Daten – auch für Trainingszwecke einer KI – ist für die meisten Unternehmen eine heilige Kuh, die nicht angerührt wird. Hier sind Lösungen gefragt, die Trainings ermöglichen, ohne Geheimnisse zu verraten. Daten­genossen­schaften könnten eine mögliche Lösung des Problems sein. In ihnen stellen Unternehmen ihre Daten in einem gemeinsamen Datenpool zur Verfügung, auf den die KI zurückgreifen und trainieren kann. Im Gegenzug profitieren die genossen­schaftlich organisierten Unternehmen von den KI-basierten Lösungen, sprich sie können die KI im Unternehmen einsetzen. Eine Win-win-Situation für alle, der die Unternehmen jedoch immer noch sehr skeptisch gegenüberstehen.

Um intelligente Maschinen zu entwickeln, braucht man akkumulierte Daten aus möglichst vielen Unternehmen.

Der MES-Experte Becos arbeitet daher im Rahmen einer Forschungs­kooperation an der Stuttgarter ESB Business School daran, die Situation zu verbessern, um auch das eigene MES intelligenter zu machen. Das Ziel der Forschungsarbeit ist, den industriellen Wert­schöpfungs­prozess zu verbessern, denn genau hierzu leistet KI einen wichtigen Beitrag. Das Problem ist auch hier, dass zu wenig Daten zur Verfügung gestellt werden. Es wird überlegt, der ESB zu Trainings­zwecken Energiedaten zu geben. Die Unternehmen erwarten hier keinen direkten Wett­bewerbs­nachteil, da die Daten abstrakt genug sind. Bei allen anderen Daten ist die Zurück­haltung deutlich zu spüren. Daher unterstützen die Forschungs­partner die Idee der Daten­genossen­schaften.

Ohne Trainingsdaten keine KI
Auch Becos setzt im Rahmen der Forschungs­gemeinschaft auf Modelle von Daten­genossen­schaften, um möglichst vielen Daten auswerten zu können. Allerdings werden zur Weiter­entwicklung von KI neben Daten auch Informationen über Funktionen benötigt. Mit Funktionen ist Wissen über Maschinen gemeint. In der Verpackungs­industrie könnten dies Verpackungs­maschinen sein, die entsprechende Kompetenzen besitzen. Werden Kompetenzen zusammen mit Daten ausgewertet, lassen sich komplexe, intransparente Entscheidungen, die in zahlreichen Wechsel­wirkungen zu anderen stehen, trainieren. Aktuell ist man noch am Anfang, denn trotz aller staatlicher Förderungen bleiben die Unternehmen sehr zögerlich, wenn es um ihre Daten und die Zurverfügung­stellung von Kompetenzen geht, auch im Rahmen von Daten­genossen­schaften.

Zahlreiche Potenziale vorhanden
Die Anwendungsfelder, in denen KI-basierte Tools zu finden sind, sind aktuell noch überschaubar. Im Produktions­prozess wird KI eingesetzt, wenn es darum geht, mithilfe optischer Sicherheits­systeme Produkte zu beurteilen und Anomalien zu erkennen. Schluss­folgerungen können mithilfe von KI bereits in den Bereichen Predictive Maintenance und Predictive Quality gezogen werden. Mithilfe autonomer Roboter­systeme und intelligenter Regelungs­verfahren lässt sich bereits reagieren. Die Potenziale in der Fertigung dürften um ein Vielfaches größer sein.
Der Einsatz von KI-basierten MES-Systemen lohnt sich vor allem in Produktionen mit hoher Volatilität und dynami­schem Marktumfeld. Hiervon war zumindest in den letzten Monaten kaum ein Fertigungs­bereich ausgenommen. Deshalb sind mutige Unternehmen gefragt, die ihre Daten zur Verfügung stellen.

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KI in der Fertigungsplanung (MES)
Bild: envfx/AdobeStock

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